Geschichte:
Die Ortgies ist eine bekannte deutsche Taschenpistole, die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zuerst von Heinrich Ortgies selbst in einer kleinen eigenen Fabrik hergestellt wurde.
Obwohl die Pistole schon am 12.7.1916 patentiert wurde und es auch schon einen oder mehrere Prototypen zu dieser Zeit gegeben haben muß, startete Ortgies mit der Serienproduktion erst nach dem Ersten Weltkrieg 1919.
Die Ortgies-Pistole war 1919 eine elegante Neuerscheinung mit bestechenden Konstruktionsmerkmalen, wenn man sie neben den damals existierenden deutschen Pistolen wie Dreyse 07, Jäger, FL, Beholla, Mauser 1914, S&S 1913 und Walther 4 betrachtete. Man kann sich vorstellen, daß sie mit ihrer kompakten, eleganten Form damals einen sehr guten Eindruck hinterließ. Wie aus zeitgenössischen Announcen ersichtlich, hatte die Ortgles auch sofort Erfolg bei schießsportlichen Veranstaltungen.
Nach dem ersten kommerziellen Erfolg und somit rapide steigender Nachfrage sah Heinrich Ortgies ein, daß er mit seiner eigenen kleinen Fabrik den Aufträgen nicht mehr gewachsen war. Er schaute sich nach einem größeren Hersteller um und stieg bei den Deutschen Werken AG in Erfurt erfolgreich ein. 1921 kaufte die Deutsche Werke AG Patente und Maschinen von Ortgies und nahm die Fertigung in ihrer Fabrik auf. Dies geschah ungefähr ab Seriennummer 15000.
Vorerst war nur die 7,65mm Pistole im Verkauf, jedoch hatte Ortgies Konstruktionen für 6,35mm und 9mm kurz vorbereitet. Unter Deutsche Werke wurden diese Modelle 1922 in Produktion genommen, zuerst die 6,35mm, später in 9mm kurz. Da man die Pistole mit wenigen Handgriffen, nur durch Laufwechsel, von 7,65mm auf das vom Versailler Vertrag für Faustfeuerwaffen verbotene Kaliber 9mm umrüsten konnte, wurde die Produktion schließlich untersagt.
Waffen dieses Typs gehörten zwar weder bei den Streitkräften noch bei Polizeiformationen zur strukturmäßigen Bewaffnung, wurden jedoch von Polizeibeamten benutzt. So zählten sie zum Beispiel zur Ausrüstung von Hamburger Polizeieinheiten, und zwar in beträchtlicher Stückzahl.
Tausende solcher Pistolen sollen bis Mitte der 20iger-Jahre in den USA zu Schleuderpreisen verkauft worden sein. Man kann annehmen, daß eine gewisse Anzahl auch in den Besitz US-amerikanischer Polizeibeamter oder Angehöriger anderer bewaffneter Kräfte gelangte.
Bei einem skandalösen Reihengeschäft wurden auch ein Menge davon zu Dumpingpreisen exportiert, re-importiert und unter großen Aufschlägen in Deutschland wieder verkauft, wobei die Gewinnspannen in dunklen Kanälen versickerten.
Die Fertigung wurde 1923 (andere Quellen sprechen von 1926) eingestellt, die Pistolen konnten jedoch bis in die späten 30er-Jahre erfolgreich verkauft werden. Sogar bei einigen Dienststellen der Deutschen Wehrmacht (Z.B. Kriegs- und Oberkriegsgericht) wurden sie eingeführt, wenn auch nicht offiziell als Ordonnanzpistole.
Unter vielen anderen für die damalige Zeit technischen herausragenden Eigenschaften besaß die Pistole damals schon einen teilgespannten Schlagbolzen, der durch das Eindrücken des Griffrückens vollgespannt und entsichert wurde. Auffällig ist auch, daß keine einzige Schraube verwendet wurde.
Im Lauf der Produktion kam es zu kleineren Variationen, hauptsächlich in der Schlittenbeschriftung sowie einigen vernickelten Exemplaren, jedoch auch zu einer selteneren Version mit einem extra Sicherungsknopf. Diese Variation wurde auf speziellen Auftrag gefertigt und haupsächlich an die Tschechoslavakischen Polizeikräfte geliefert.
Insgesamt sind 263.000 Stück von den 7,65mm- und 9mm-kurz-Pistolen hergestellt (und gemeinsam numeriert) worden. Von den Pistolen Kal. 6,35mm wurden 183.000 Stück hergestellt (in einer eigenen Nummernserie), zusammen also etwa 446.000 Pistolen. Obwohl es sich um eine Schätzung handelt, deuten die beobachteten Seriennummern darauf hin. Die höchste bekannte 7,65er-Seriennummer ist 262.724, die höchste bekannte Nummer im Kal. 6,35 mm ist die Nr. 182.625, eine Pistole in mattem Nickel.
Technische Daten:
SYSTEM: Rückstoßlader mit Masseverschluß und Schlagbolzen
PATRONENZAHL : 7
KALIBER : 6.35 mm Browning
LAUFLÄNGE : 69 mm , 6 Züge rechtsdrehend
GEWICHT LEER : 390 g
GESAMTLÄNGE : 134 mm
GESAMTHÖHE : 88 mm
GESAMTBREITE : 23 mm
ABZUG : Single Action
VISIER : starr
SICHERUNG : Druckknopf-Handballensicherung
FINISH : brüniert
GRIFFSCHALEN : Holz